Ein guter Intendant muss unerschrocken sein – oder zumindest so wirken. Weder vor lokalen Politikern, Regisseuren oder Schauspielern noch vor dem Publikum darf er Angst zeigen (darin einem Dompteur ähnlich). Ich vermute, Joachim Kümmritz hatte tatsächlich nie Angst vor irgendwem im eigenen Theater. Ohne Angst sein, das ist ein anderer Ausdruck für jene Freiheit, an der alle anderen teilhaben dürfen.
Gewiss liegt es an seinem besonderen Naturell als Berliner mit Wahlheimat Mecklenburg und als gelernter Ökonom und Verwaltungsfachmann. Als solcher ist man nicht anfällig für Profilneurosen und auch erst einmal keine Konkurrenz für an Profilneurosen Leidende, von denen es an jedem Theater bekanntlich nicht wenige gibt. Das wurde zur Basis von nunmehr über vierzig Jahren ununterbrochener Tätigkeit am Theater, seit 1990 als Intendant – bis 2016 am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, seit 2014 am Theater und Orchester Neubrandenburg/Neustrelitz und seit 2016 zusätzlich am Volkstheater Rostock.
Das Geheimnis dieser langen Leitungsdauer ist wohl, dass er ein sicheres Gespür dafür entwickelte, wo er sich zeigen und wo er sich besser verbergen sollte. Offensive bedarf der Defensive, um erfolgreich zu sein, so lehrt das Beispiel Kümmritz. Sein Credo im Umgang mit Provinzgrößen erklärte er mir einmal in allgemeinverständlichen Worten wie folgt: „Als Erstes wollte...