In einer Stahlsäule, wenige hundert Meter vor dem Reichstagsgebäude in Berlin, hinter einer Schicht orange leuchtendem Kunstharz, stellte das Künstler:innenkollektiv Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) eine Bodenprobe aus. Sie war positiv auf menschliche Überreste getestet worden, wobei es sich nach Aussage des ZPS höchstwahrscheinlich um die Asche von Ermordeten des Naziregimes handelte.1 Sucht nach uns!(2019/20) sollte an die Kollaboration konservativer Politiker mit der NSDAP erinnern und der CDU/CSU eine Warnung vor einer Zusammenarbeit mit der rechtsradikalen AfD sein.2 Allerdings avancierte Sucht nach uns!zur bisher kontroversesten Intervention des Kollektivs, da sie keineswegs das konservative und rechtsreaktionäre Lager provozierte, sondern vielmehr Entrüstung unter linken, progressiven und jüdischen Menschen evozierte. Diese Arbeit des ZPS zeigt, welche öffentlichen Wirkungspotenziale künstlerische Interventionen entfalten können, vor allem aber demonstriert sie ihre inhärente Problematik: ihre Übergriffigkeit und ihr Legitimierungsproblem. Interventionen werden aus völkerrechtlicher Perspektive, also in ihrem modernen Ursprungskontext, als zumeist illegitime Akte gewertet, als potenziell aggressive Einmischungen, die Reaktionen erzwingen sollen. Ähnlich wirken auch Interventionen in ihrer künstlerischen Spielart, wie diejenigen des Zentrums für Politische Schönheit.
Binnen 48 Stunden nach Interventionsbeginn hatten sich der Zentralrat der Juden in Deutschland, das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) Berlin, die Jewish Claims Conference und prominente jüdische...