Notizen
Notizen zu Piscator
Zweiter Teil: Mein Notizbuch
von Judith Malina
Erschienen in: Notizen zu Piscator (11/2024)
Assoziationen: Theatergeschichte Dossier: Theater & Archiv Erwin Piscator
Der Unterricht, in dem ich dies notiert habe, konzentrierte sich auf die Ausbildung, die Piscator und seine Lehrer uns geben konnten. Die Unterschiede zwischen den Methoden von Stella Adler, Lee Strasberg, Raikin Ben-Ari, Herbert Berghof, Maria Ley-Piscator und Piscator waren enorm.
Im Unterricht gab es weder Methoden noch „Schulen“, stattdessen förderte er die körperliche und stimmliche Kraft des Schauspielers, seine künstlerische Haltung, sein Engagement, seine Weltanschauung, seine Sensibilität. Diese Kraft ist für unzählige künstlerische Wege einsetzbar, von denen jeder einzigartig ist, war aber immer darauf ausgerichtet, zu einem kollektiven Werk das jeweils Eigene beizusteuern.
Uns war bewusst, dass wir nicht einfach lernten, um unser Potenzial auszuschöpfen. Immer ging es darum, unser Potenzial den Erfordernissen und Möglichkeiten der Kompanie zur Verfügung zu stellen, der Produktion, vor allem aber dem Publikum, um dessentwillen wir das Stück auf die Bühne brachten.
Montag, 5. Februar 1945
An meinem ersten Tag als Theaterstudentin hatte ich das seltene Vergnügen, einen bedeutenden Mann kennen zu lernen. Als Erwin Piscator den Raum betrat, applaudierten meine Kommilitonen spontan und ich spürte die Präsenz eines Ausnahmemenschen. Piscator begrüßte uns mit einem lässigen Vortrag über die künstlerische und politische Kraft des Theaters. Seine Begeisterung und seine Liebe zur Kunst waren ansteckend...