Ob unser Sprechen Inhalt habe, fragte schon George Steiner im Essay „Von realer Gegen- wart“ Ende der 1980er Jahre. Also damals, in diesen heute seltsam fernen, weil geradezu verschwiegen still scheinenden Zeiten, als die Möglichkeiten des Virtuellen und was sie für die Kommunikation mit sich bringen würden, noch nicht Alltagstotalität, sondern Technologieutopie waren. Was nun die Verwirklichung dieser Utopie auch bedeutet, heute, in eben unserer realen Gegenwart, die ohne die Gegenwart des Virtuellen ja gar nicht mehr denkbar ist, davon handelt „Man sieht sich“. Ein Stück des frankokanadischen Autors Guillaume Corbeil, Jahrgang 1980, das jetzt am Leipziger Theater der Jungen Welt unter der Regie Jürgen Zielinskis seine deutschsprachige Erstaufführung fand.
Vorgestellt werden fünf Personen, genauer: fünf Profile, irgendwo im Netz. Auf welcher der einschlägigen Kommunikationsplattformen auch immer, zelebrieren diese fünf, was auch Abermillionen andere im Social Network zelebrieren. Freundschaften der Klickrituale. Posten – liken – sharen. Ein schier ununterbrochenes Entäußern, eine Informationssuada, der, weil ihr alles zum Inhalt wird, jeglicher Inhalt implodiert in der Hamsterrad-Rotation der Selbstdarstellungshysterie. Nur dass dieses „Selbst“ weniger greifbar denn je scheint. Wo sich Identität als Warenwert definiert, folgt im Warenüberfluss der Selbstverlust. Das Ich – ein Hohlraum. Unerfüllt, ewig hungrig. Und so läuft in „Man...