SCORES – Insert Tanzquartier Wien
Diorama und Display
von Paul Wenninger
Erschienen in: Theater der Zeit: Jürgen Holtz – Schauspieler und Scharfdenker (04/2015)
Assoziationen: Österreich Tanz
Theater und Dioramen sind bis ins Detail inszenierte künstliche Realitäten, deren Verwendungszweck darin besteht, Hintergrund, Kulisse oder ›Display‹ für ebenso künstlich inszenierte Exponate, Handlungen oder Bilddramaturgien zu sein.
In uncanny valley besteht eine Beziehung oder Durchdringung mehrerer gleichzeitig neben- und miteinander existierender Wirklichkeiten, die das Reale und Modellhafte, das Vorläufige und Endgültige, das Tote und Lebendige zu verbinden sucht. Die durch das Diorama vermittelte Welt ist eine andere als die, welche sie umgibt. Aber beide Wirklichkeiten sind – tautologisch gesprochen – real, also im Hier und Jetzt.
Obwohl die Dioramen in ihrer physischen Existenz real sind, so ist es doch offensichtlich, dass es sich bei den erzeugten Bildern nicht um ›die Realität‹, sondern um vermittelte Repräsentationen von Realität handelt. Auf dieser Ebene scheint mir das Diorama eine machbare Form zu sein, den Ersten Weltkrieg auf die Bühne zu stellen, nämlich als vermittelte Repräsentationen von Realität. Die Bühne ist nicht mehr nur Ort der Präsentation, sondern durch die Bilder in den Dioramen auch Repräsentation einer anderen Wirklichkeit als der eben stattfindenden.
Möglicherweise fällt das Tote dadurch besonders stark auf, dass es von den Repräsentationen des Lebens und der Natur ausgeht. Im Diorama soll das Eingebunden-Sein der Soldaten im Krieg in ihrem ursprünglichen Raum simuliert werden. Dies ist natürlich nur als Annäherung möglich. In der Rekonstruktion soll er als Wiederholung auftreten und in einer gewissen Dauer gezeigt werden, wobei gerade das andauernde Zeigen mit der Fixierung des Gegenstandes verbunden ist und im Fall von Soldaten zwangsläufig deren Vernichtung bedeutet. Die Zeitlupe in den Dioramen als Blick hindurch in eine vergangene Zeit. So kann ein realer Soldat aus dem Ersten Weltkrieg im Performer zwar wiederholt, nicht jedoch wiederhergestellt werden.
Die Performer sind auf der Bühne selbst schon Betrachter. Sie betrachten die Soldaten in den Dioramen. Das explizite Ausstellen der Performer vor dem Kriegsexponat zeigt konkret den Effekt der Inszenierung auf den Betrachter. Der Betrachter des Stücks sieht andere Menschen beim Betrachten des Exponats im Diorama. Durch die Doppelung wird gleichzeitig auch der eigene Status als Betrachtender hervorgehoben. Ein bisschen wie bei Caspar David Friedrichs Wanderer im Nebelmeer oder den Museumsbildern des Fotografen Thomas Struth.
Man kann den Krieg vielleicht betrachten, aber nicht zeigen. »Ceci n’est pas la guerre« ist man geneigt, in Abwandlung eines Bildtitels von René Magritte, zu sagen.