Gefühle haben Konjunktur. Nicht nur in populären Medien, sondern auch in den Geistes und Sozialwissenschaften, der Neurophysiologie und der Hirnforschung wird der Emotionalität des Menschen große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Coolness der 1980er und 1990er Jahre scheint passé, und während die Entschlüsselung des Genoms die Berechenbarkeit des Menschen als medizinisches, ökonomisches und ethisches Ideal suggeriert, zeichnet sich eine Renaissance der Empfindsamkeit ab. Ist das eigene Gefühl das letzte utopische Reservoir einer resistenten Individualität? Oder gehört es längst den anderen? Ist es also Inszenierungs- und Vermarktungsstrategien unterworfen, die Empfindungen manipulieren oder gar als Effekt produzieren?
Der Band „Koordinaten der Leidenschaft", der die Beiträge der gleichnamigen Konferenz des Sonderforschungsbereichs „Kulturen des Performativen" an der Freien Universität Berlin versammelt, geht von der Annahme aus, dass der Blick auf die spezifische Aufführungssituation in Theater, Oper und Musik für die gegenwärtige Diskussion wichtige Impulse liefern kann, und möchte das Theater als Ausgangspunkt nehmen, um den Gefühlen in unterschiedlichen Medien, Künsten und Kulturpraktiken auf die Spur zu kommen.