Wilfried Schulz über Schönheit als Form und Idee im Gespräch mit Thomas Irmer und Stefan Keim
Basel, Hamburg, Hannover, Dresden, Düsseldorf – die Stationen, die Wilfried Schulz erst als Chefdramaturg von Frank Baumbauer, dann als Intendant durchlaufen hat, umspannen fast vierzig Jahre Theatergeschichte. Zuvor hat er übrigens am Theater Heidelberg noch an der Gründung des Stückemarktes mitgewirkt. Welche Rolle spielt bei all diesen Erfahrungen die Schönheit für seine Arbeit?
Wir wollen einen größeren Bogen spannen, der den Wandel der Auffassung von Schönheit im Theater untersucht. Haben Sie heute schon an die Kategorie der Schönheit gedacht?
Wilfried Schulz: Naja, mein Alltag ist im Moment davon geprägt, dass wir die Teilnahme an einer Demonstration vorbereiten, dass wir uns in Diskursen mit der Israel-Palästina-Frage beschäftigen, dass wir ein Ukraine-Festival planen. Wir stecken in einer Vielzahl von gesellschaftlichen Kontroversen und Konflikten. Das scheint dem Begriff der Schönheit zu widersprechen. Ihre Anfrage, mal über das Schöne nachzudenken, kam für mich wie aus einer anderen Welt.
Ist also gerade keine Zeit für Schönheit?
WS: Ja und nein. Dass Theater sich mit gesellschaftlichen Konflikten beschäftigt, die rauere Oberflächen bedingen, ist klar. Aber Theater hat eine große Komplexität. Die Beschäftigung mit der ästhetischen Verfasstheit – um es etwas allgemeiner zu formulieren – ist natürlich fundamental. Und es wird auch wieder Phasen geben, in denen wir uns darauf konzentrieren. Wir tun manchmal so, als ob wir wüssten, was Schönheit ist. Dieser Begriff ist historisch und auch lobbyistisch gebunden. Wenn ich über Schönheit nachdenke, fallen mir zuerst Negationen ein. Es geht nicht um das Nachvollziehen oder sich Messen an einer Norm, wie es im klassischen oder populären Verständnis sehr...
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