Fünf Personen in cremefarbenen, schleierlosen Brautkleidern, kniend, hockend, sitzend, auf den Ohren riesige Kopfhörer, deren Kabel in den Bühnenboden ragen; es sieht aus, als hängen die Bräute wie Marionetten an ihren Fäden – vermutlich wird den fünfen die Ringparabel eingetrichtert, während sie sich um einen Berg aus Lehm versammelt haben, Rohmasse für den zu knetenden neuen Menschen in einer künftigen humanen Welt. Im Hintergrund der hell getäfelten Bühne sieht man schon den Ofen, in dem die Lehm- zu Tonfiguren gebrannt werden, der aber (wie sich später zeigen wird) auch andere, schlimme Assoziationen weckt. Die fünf sind gelehrige Schüler, man hört sie beim Kneten Bruchstücke aus der Ringparabel andächtig murmeln – „ein reicher Mann aus dem Os- ten“, „drei Söhne“, „ans Sterben“ –, die sich dann als leitendes Narrativ wie ein roter Faden durch den Abend zieht.
Ulrich Grebs Inszenierung des „Nathan“ weist sich zwar bescheiden „nach Lessing“ aus, aber es handelt sich um alles andere als eine grobe oder gar willkürliche Dekonstruktion des Textes, der zwar fragmentiert und umgestellt, in seiner Substanz aber durchaus nicht beschädigt wird. Der folgenreichste Eingriff ist die Tatsache, dass Nathan als einzelner Handelnder ausfällt. Traditionell wird die Titelfigur ja vom altehrwürdigsten und volltönendsten Ensemblemitglied verkörpert,...