Visionäre Entwürfe in Kunst und Gesellschaft teilen mitunter ein grausames Schicksal: Landen sie einmal im Archiv der Geschichte, fällt der Staub des Vergessens über sie. Das – so schwor es sich ein interdisziplinäres Team um die beiden Szenografen Franziska Ritter und Pablo Dornhege – darf nicht sein! In den vergangenen Monaten ist unter dem Dach der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft im Forschungsprojekt „Im/material Theatre Spaces“ eine spektakuläre Arbeit entstanden: Das legendäre Große Schauspielhaus Berlin, 1919 von Max Reinhardt und Hans Poelzig entworfen und nach bewegter Baugeschichte Mitte der achtziger Jahre abgerissen, ist seit Kurzem wieder begehbar – als immersive Virtual-Reality-Experience. Noch weiter zurück in der Zeit reisten Melanie Mohren und Bernhard Herbordt, Initiatoren der Performance-Serie „Die Gesellschaft“. Im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft fahndeten sie nach Akten, die dort seit cirka 1900 lagern. Inhalt vieler Schreiben: faszinierende Gesellschaftsutopien, die jedoch nie das Licht der Welt erblickten. Stattdessen ziert sie ein Stempel: „Spinner!“.
Melanie Mohren, Bernhard Herbordt, Franziska Ritter, Sie beschäftigen sich in Ihren Projekten derzeit intensiv mit dem Thema Archiv. Der Gedächtnisforscher Harald Welzer hat vor einigen Jahren in einem Interview mit Theater der Zeit die These aufgestellt, dass in unserer sowieso so materiell konnotierten Kultur Archivarbeit, also das Konservieren des Materiellen, auch...