Herr Ostermeier, das Verhältnis von freier Szene und Stadttheater wird oft konflikthaft dargestellt, als Kampf zwischen Arm und Reich.
Thomas Ostermeier: Im Herzen der Auseinandersetzung steht der Streit um Mittel. Oft mit sehr vereinfachten Argumenten, nämlich: Institutionen sind innovationsfeindlich, verkrustet, staatstragend, kunstfeindlich, lahm, DDR-ähnlich etc. Diesem üblichen Vorwurf wird das Bild einer freien Szene entgegengestellt, die neu, innovativ, kreativ ist und schlecht bezahlt wird. Vor diesem Horizont wird gefragt: Warum kriegt die freie Szene nicht mehr Geld, wenn sie die ästhetischen Innovationen der letzten zwanzig Jahre geleistet hat?
Der wichtigste Punkt ist für mich, dem ganz ehrlich zuzustimmen: Ja, es ist ungerecht, dass die freie Theaterszene so wenig Geld bekommt. Das ist ein echter Kampfpunkt; das muss sich unbedingt ändern. Aber hinter den Schluss „Dann sollen die Stadttheater etwas abgeben!“ setze ich ein großes Fragezeichen. Aus zwei Gründen: Erstens streben auch jene, die von der Projektförderung abhängen, nach Institutionalisierung. Das sagt jemand, der mit der Schaubühne ein Theater leitet, das 1962 von fünf Studenten der Freien Universität Berlin als Studententheater gegründet wurde. Dieses freie Theater wird mittlerweile maßgeblich von der Stadt unterstützt, so wie sich das jedes Theater wünscht, um Möglichkeiten zu haben, besser zu produzieren, die Mitarbeiter angemessen zu...