Theater der Zeit

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RambaZamba Theater Berlin: Riesenspaß mit Hintersinn

„Mord im Regionalexpress“ von Milan Peschel und dem RambaZamba-Ensemble – Regie Milan Peschel, Bühne Magdalena Musial, Kostüm Nicole Timm

von Thomas Irmer

Assoziationen: Theaterkritiken Berlin Dossier: Inklusion Milan Peschel RambaZamba Theater

„Mord im Regionalexpress“ von Milan Peschel am RambaZamba Theater.
„Mord im Regionalexpress“ von Milan Peschel am RambaZamba Theater.Foto: Philipp Zwanzig

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Ja, es muss einen Mord gegeben haben. Schließlich gibt es den Umriss eines Körpers auf dem Boden gleich neben dem Regionalbahnwaggon und die Spurensicherung war auch schon da. Hat aber nichts gefunden, und die Leiche ist auch weg. Vielleicht war es aber auch nur ein deprimierter Schauspieler, der da mal kurz gelegen hat. Dann wäre es ja eher ein Fall fürs Theater. Da muss jetzt eine Sonderkommission ran, schließlich wurden mit diesem Anfang gleich mehrere „Tatort“-Konventionen gebrochen. Das Besondere der Sonderkommission besteht darin, dass sie aus illustren Figuren der Fernsehkrimi-Geschichte rekrutiert wurde: Da gibt es eine eifrige Miss Marple mit Namen Franziska Fröhlich (gespielt von Franziska Kleinert), einen in feines Tweed gewandeten Sherlock Holmes als Harry Eisenbieger (Christian Behrend) und einen verstrubbelten Trenchcoat-Kommissar ähnlich Peter Falks Columbo – Jan Bülow als Gaststar.

Damit ist sozusagen schon die Metaebene des Genres Kriminalkomödie als Grundlage gesetzt. Aber in dem von Milan Peschel und seinem Ensemble wahrscheinlich aus einer prallvollen Ideenkiste ausgerollten Stück kommt es noch viel dicker. In einer Art surrealistischem Übersprung ist bei den Ermittlungen nun auch Peter verschwunden, was die ganze Sache zu den ganz großen Existenzfragen führt.

Peter ist der vierjährige Junge aus Harald Hakenbecks Ölbild „Peter im Tierpark“. 1960 gemalt und später in der DDR ein vielfach reproduziertes Ausstattungsstück für Kindergärten, Schulen und Polikliniken zeigt das Bild den Jungen in einer Winterlandschaft mit zwei Wildschweinen, einem Kamel und einem Pfau. Die Sonderkommission stellt fest: Von Peter sind – auf dem gestohlenen, dann wieder aufgefundenen Bild - nur noch die Umrisse zu sehen, ähnlich denen bei der Tatortmarkierung. Die ermittlungstechnisch und krimidramaturgisch gestellten Fragen bleiben ausgesprochen sachlich: Wie alt ist Peter heute, wann hat er das Bild verlassen – und warum? Und was bedeutet das? Hat Peter etwa am Sinn des Lebens gezweifelt?

Magda Musial hat als Bühnenbild einen Sperrholzwaggon entworfen, in dem alle acht Spieler:innen immer mal wieder bei der Fahrt zusammen wackeln und den sie je nach Bedarf zum Publikum hin drehen können. Der Regionalexpress wird als der einzige Ort angesprochen, an dem verschiedene soziale Schichten aus verschiedenen Lebensräumen zusammen und vielleicht sogar ins Gespräch kommen. Eine Metapher für Integration und Zusammenhalt also, ein Transitraum der Begegnung und dabei ein wichtiges Verkehrsmittel für Berlin und sein Umland. Hier zeigt sich die subtilere Symbolik der Krimigroteske mit ihrem tolldreisten Humor und den Musikeinspielungen von „Mission Impossible“ bis zu Rio Reiser und die anderen.

So ist Milan Peschel etwas gelungen, das für das RambaZamba als Glücksgriff gelten darf. Ein Zusammenbringen der unterschiedlichen Fähigkeiten im Ensemble – zu nennen sind noch Moritz Höhne, Anil Merickan, Joachim Neumann, Hieu Pham und die inzwischen auf mehreren Bühnen erfahrene Zora Schemm – für einen an der mehrschichtigen Volksbühnenspielweise orientierten Riesenspaß mit Hintersinn.

Erschienen am 26.2.2025

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