Thema: blackfacing
Echt kein Brecht
Blackfacing ließe sich als Verfremdungseffekt nutzen – wenn der Rückgriff darauf reflektiert würde
Erschienen in: Theater der Zeit: Blackfacing (10/2014)
Assoziationen: Debatte Deutsches Theater (Berlin)

Seit vielen Jahrzehnten verfolge ich das deutschsprachige Theater mit leidenschaftlichem Interesse und mir sind nur wenige Künstler begegnet, die historisch, politisch oder ästhetisch naiv wären. Als ich also von den Blackfacing-Fällen hörte, die im vergangenen Jahr in Deutschland und in der Schweiz für Skandale sorgten, war ich mir recht sicher, dass die Vorfälle nichts mit einer solchen Naivität zu tun hatten. Ich wollte verstehen, warum sich deutsche Regisseure dazu entschlossen hatten, in ihren Produktionen die Zeichen der sogenannten Blackface Minstrelsy zu benutzen, und was diese Entscheidung für die jeweiligen Stücke, das Theater als solches und die Beziehung zwischen Bühne und Gesellschaft in Deutschland bedeutete. Über Blackfacing ist viel geschrieben worden, dennoch hoffe ich, dass der Blick des in den USA geborenen und aufgewachsenen Außenseiters, der als in Deutschland lebender und zum deutschen Theater publizierender Autor zugleich Insider ist, ein neues Licht auf die Debatte werfen kann.
Die Minstrel Show hat ihre Wurzeln in Amerika, insbesondere bei Thomas Dartmouth Rices „Jump Jim Crowe“ (1828). Diese populäre Nummer, dargeboten von geblackfaceten Künstlern, war eine Kombination von Gesang, Tanz und Sketchen. Afroamerikaner wurden in den Minstrel Shows zu entindividualisierten Objekten gemacht, zu Tieren oder Narren, die man beherrscht und über die man sich...