Um davon zu erzählen, wie interessant es ist, alte Theaterzeitschriften zu untersuchen – das heißt in meinem Fall: etwas Konkretes in ihnen zu suchen, Spuren von Institutionskritik nämlich –, frage ich: Woher wissen wir, unter welchen Umständen heute Theater gemacht wird? Lassen sich „die Verhältnisse“, lässt sich Realität – zum Beispiel die des Theaterschaffens – einfach so beobachten?
Man muss nicht Theaterwissenschaft studiert haben, um zu wissen, dass es objektive, „neutrale“ Beobachtung – ob von Realität oder Kunst – nicht geben kann. Immer haben wir Beobachterinnen und Beobachter eine spezifische Perspektive und ein spezifisches Interesse – und eine Vorstellung dessen, was „normal“ ist, was determinierende Umstände und Strukturen sind.
Natürlich könnten wir fragen: Sind sechs Wochen Probenzeit für eine Inszenierung tatsächlich normal oder eher normierend? Muss das gegenseitige Duzen auf Proben dazugehören – und wem nützt es? Ist der Umstand, dass Regisseurinnen und Regisseure in einem höheren Maße als Schauspielerinnen und Schauspieler für das Ergebnis eines Inszenierungsprozesses verantwortlich gemacht werden, selbstverständlich? Es sind endlose Variationen solcher Normalitätsbefragungen möglich – die ungefiltert zu starker Desorientierung führen können. Hinterfragt wird deshalb meistens, was (einige) unmittelbar einschränkt, zum Beispiel: Warum stehen da hauptsächlich weiße Menschen auf der Bühne? Warum arbeiten in vielen Theatern...