Demenz? Nein! Was in Marthas Denken und Fühlen anders ist, nannte ihr Mann ihre „poetische Verfassung“. Doch nun ist er tot und Martha braucht Hilfe. Die Uraufführung von „Martha“, die im Oktober 2020 beim Internationalen Figurentheaterfestival in München zu sehen war, basiert auf Martina Bergmanns autobiografischem Roman „Mein Leben mit Martha“. Ihre Themen: wahlfamiliäre Sorge, Selbstfindung und -verlust, Angst vor dem Alter und deren Zerstreuung. Regisseur Philipp Jescheck hat Statements von zwölf Münchner Senior*innen aufgezeichnet, deren Lebensbilanzen die im Stück geschilderte Situation nur akustisch rahmen. Dort lebt die alte Dame mit der Buchhändlerin Martina zusammen. Man hilft einander, oft quer zu den Erwartungen, und trotzt den Anfeindungen von außen.
Drei Schauspieler*innen und eine Puppe erzählen diese Geschichte zwischen Stapeln von Büchern. Die Puppe – gebaut von Peter Lutz, geführt von Julia Giesbert – ist Martha: Eine zerbrechliche Schönheit mit der altersfleckigen Haut einer Achtzigjährigen und dem würdevollen Blick einer Königin. Ihr schlanker Körper steckt in einem ärmellosen roten Kleid, und um den Kopf hat sie locker ein dekoratives Tuch geschlungen. Ich denke an meine Oma, die noch im hohen Alter auf ihr Aussehen achtete, und an andere alte Damen, die wie Martha mit 50 Jahren eine Doktorarbeit bei Niklas Luhmann...