Bericht
Die Reise von Krabbe und Storch
Die südafrikanisch-deutsche Stückentwicklung „Iskhalo somlambo/Der Ruf des Wassers“
von Sabine Leucht
Erschienen in: double 46: Networking – Netzwerkmodelle im Figurentheater (11/2022)
Assoziationen: Bayern Afrika Puppen-, Figuren- & Objekttheater Staatstheater Augsburg
Mit zweijähriger Verspätung hat das Kooperationsprojekt des Staatstheater Augsburg mit dem südafrikanischen Ukwanda Puppets & Designs Art Collective seinen Weg auf die Bühne gefunden. Der Grund – wie üblich: Covid. Inzwischen ist Krieg in Europa, das Gas wird knapp und die Hitze hat selbst im sonst so grünen Bayern die Farbe aus der Botanik gewaschen. Da ist die Suche nach dem lebensspendenden Nass, von dem „Iskhalo somlambo/Der Ruf des Wassers“ erzählt, alles andere als ein Narrativ aus einer anderen Welt. Auch wenn die Idee zur Zusammenarbeit auf die historische Trockenphase 2018 in Kapstadt zurückgeht, nach der sich das Team um die Regisseurin Dorothea Schröder das erste Mal traf. Nur 50 Liter Wasser pro Bürger*in und Tag waren damals noch erlaubt. Damit bekäme man, wie das bi-nationale Ensemble auf der Augsburger Brechtbühne leutselig erklärt, eine Bass Drum halb voll oder sechs Toilettensitzungen weggespült.
Aber wie bringt die interkontinentale Stückentwicklung nun die auf der UNESCO-Welterbe-Liste stehenden Brunnen und 180 km langen Wasserwege der Fuggerstadt mit dem dürregeplagten Kap der Guten Hoffnung zusammen? Nun: Der ästhetische Spagat zwischen deutscher Schau- und südafrikanischer Puppenspiel-Tradition, von dem man sich von Augsburger Seite offenbar einen optisch-poetischen Zugewinn und zugleich die Möglichkeit versprochen hat, grundlegende Dinge direkt und geradeaus anzusprechen, gelingt ungleich besser. Und zwar zum einen, weil Schröder eine Erzähltheater-Zwischenebene einzieht, in der Siphokazi Mpofu, Sipho Ngxola, Luyanda Nogodlwana, Thomas Prazak, Franziska Rattay und Karoline Stegemann gemeinsam Bäume, Tiere und Kostümteile aus Papier falten und knüllen. Und weil die offen geführten Puppen beeindruckend sind: Eine Krabbe und ein Storch, die es in mehreren zur jeweiligen Szene passenden Größen gibt, werden teilweise mit vereinten Kräften bewegt. Die Krabbe kann ihre Stielaugen einzeln wandern lassen, und die Schnalz- und Klicklaute der Sprache isiXhosa passen perfekt zu den Bewegungen ihrer Scheren. Es gibt einen hitzigen Zweikampf zwischen den beiden, in dem die ganze Krabbe vibriert und der Storch wütend aufstampft. Später fliegt er mit der Mini-Krabbe im Schnabel über die Bühne, auf der Suche nach Wasser, das sie nur gemeinsam finden können.
Immer wieder aber wird die sorgsam etablierte Märchen-Collage von der einfachen, einst glücklichen Dorfgemeinschaft, von Verrat aus Mitleid und Strafe für Gier und Korruption mit teils überflüssigen Fakten durchlöchert: Mit dem Wasserverbrauch von Tesla und Schnittblumen, aber auch der Info, dass zwei Schauspieler aus Halle an der Saale kommen, und einem kleinen Quiz fürs Publikum. Volkshochschul-Einschübe in eine poetische, selbst bereits mild belehrende Tier-Reise-Fabel, die an Überschwemmungen, brennenden Wäldern und Flussgöttern mit deutschen Namen und globalen Nöten vorbeiführt. Am Ende setzt sich nicht die zu laute „We have to change now!“-Message fest, aber die Hoffnung, dass massive Not uns den Umgang mit knappen Ressourcen schon lehren wird. – staatstheater-augsburg.de