Ab circa 1820 und bis in die 1910er Jahre hinein war der Zirkus in Deutschland äußerst erfolgreich. Die großen Zirkusgesellschaften spielten damals nicht etwa in Zelten, sondern in mächtigen Holzkonstruktionen oder in pompösen Gebäuden in den Stadtzentren. Diese Spielstätten verfügten mit über 3000 bis 5000 Plätzen über deutlich höhere Kapazitäten als die meisten Literaturtheater und Opernhäuser. Und die Zirkusaufführungen selbst bestanden nicht nur aus Nummernprogrammen, sondern besonders beliebt waren Zirkuspantomimen. Dabei handelte es sich um aufwendig ausgestattete Inszenierungen, in denen Akrobatik, Reitkunst, Clownerie u.s.w. mit Ballett, Musik und szenischem Spiel rund um ein Thema ineinander verflochten wurden. Diese theaterähnlichen Aufführungen begeisterten ein großes und sozial durchmischtes Publikum. Mit ihrer Aufführungspraxis und ihrem Erfolg wurden die Zirkusse von Vertreter:innen des bürgerlichen Bildungs- und Literaturtheaters sowie der Oper als bedrohliche Konkurrenz wahrgenommen. Daher wurden die Zirkuskünste von der entsprechenden Interessenvertretung über Jahrzehnte hinweg konsequent als kunstlos und niedrig sowie als kunst-, moral- und geschmackschädigend verunglimpft und auch auf politischem Weg bekämpft. Mit Erfolg: Den Literaturtheater-Verbänden, darunter die bis heute bestehende Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) sowie der Deutsche Bühnen Verein (DBV), gelang es, über politische Fürsprecher Einfluss auf die bundesweit geltende, gewerbliche Theatergesetzgebung, auf entsprechende Verfügungen der Länder oder auch Steuerverordnungen zu nehmen....