Look Out
Damian Popp und die Gleichwertigkeit der Menschen
Der 34-jährige Folkwang-Absolvent inszeniert in Moers, Rostock, Gera und Lüneburg
von Stefan Keim
Erschienen in: Theater der Zeit: Barbara Mundel – Stürzende Gegenwart (12/2022)
Assoziationen: Niedersachsen Thüringen Mecklenburg-Vorpommern Nordrhein-Westfalen Akteure Theater Lüneburg Theater Altenburg-Gera GmbH Volkstheater Rostock Schlosstheater Moers

Alles in Pink – zwei aufgeblasene Schweinehälften aus Plastik, davor die Fachverkäuferinnen in rosa Lackkleidern. Zarah Chi Chi und Karina wirken wie ein Langzeitpaar. Allerdings haben sie nur eine Kundin in ihrer Metzgerei. Und die kauft nichts, mutiert sogar zur Veganerin. Damian Popp hat gerade am Schlosstheater Moers die Uraufführung „Zwei Fleischfachverkäuferinnen“ inszeniert, eine albern-trashige und verspielt-hintergründige Groteske Rosa von Praunheims.
Damian Popp gehört zu den Regisseuren, die ihren Abschluss während der Pandemie gemacht haben. Als er sich nach dem Regiestudium an der Folkwang Universität der Künste in Essen auf den freien Markt warf, gab es gerade keine Jobs. Durch die Lockdowns wurden die Premieren verschoben und später nachgeholt. Gerade für Newcomer war wenig Raum. Das hat sich nun geändert, zumindest für Damian Popp. Im Dezember hat Lessings „Miss Sara Sampson“ in Rostock Premiere, dann Gera, wieder ein Stück Rosa von Praunheims. Es folgt noch Sartre in Lüneburg. Eine volle Spielzeit.
„Das ist schon ein großer Druck“, sagt Damian Popp. „Gerade am Anfang muss man ja zeigen, was man drauf hat.“ Sein Gespür für Timing hat er schon in freien Produktionen bewiesen, zum Beispiel im grandiosen Solo „Aggro Alan“ von Penelope Skinner, das immer noch auf dem Spielplan des Theaters Rottstraße 5 in Bochum steht. Popp lässt den Schauspielern Freiräume, arbeitet auf Augenhöhe, beginnt die Proben ohne festgezurrte Konzepte. „Der Regisseur ist nicht das Supermind“, sagt er. „Ich kommuniziere auch offen, wenn ich Dinge nicht weiß.“
Am Stadttheater gibt es allerdings Bauproben, oft weit vor der Premiere. „Da knirsche ich manchmal mit den Zähnen“, gibt der Regisseur zu und fragt sich: „Ist das schon das Ende der Suche?“ Natürlich nicht, fünf Wochen vor der Premiere von „Miss Sara Sampson“ ist noch alles offen. Das macht Popp nicht nervös, im Gegenteil: „Lessing hat das Stück in sechs Wochen geschrieben, so lange haben wir für die Proben.“ Eins allerdings ist sicher: Bei Damian Popp gibt es keine Nebenrollen, die nur eine Funktion erfüllen. Alle bekommen ihre Biografien. Einer seiner Grundsätze ist die „Gleichwertigkeit der Menschen auf der Bühne“.
Ein Gespür für Gerechtigkeit hat Damian Popp aus der Jugend mitgenommen. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie vom Niederrhein. Vater, Opa, Uropa – alle waren im Bergbau, einige Vorfahren haben es zum Steiger gebracht. Mit Theater hatte niemand etwas zu tun. „Ich hatte aber zwei großartige Ersatz-Omis“, erzählt Damian Popp, „zwei Nachbarinnen, die mich in Oper und Ballett geschleppt haben.“ Besonders die Tanzabende von Martin Schläpfer in Düsseldorf haben ihn begeistert.
„Du hast zwei Wochen Zeit. Entscheide dich!“ Das war der Kommentar der Mutter zu seiner Berufswahl. Über das Studium der Musik- und Theaterwissenschaften in Mainz kam der Kontakt zum Schauspiel. Als Statist, Regieassistent, mit Hospitanzen am Berliner Ensemble und am Hamburger Ohnsorg-Theater. „Mich interessiert alles“, sagt Damian Popp.
Diese Offenheit und Neugierde zeichnen ihn bis heute aus. Auch ein Blick für Menschen, die nicht direkt mit dem Theaterbetrieb zu tun haben. Damian Popp interessiert sich sehr für die Reaktionen des Publikums, will, dass Technik und Ensemble sich wohlfühlen. Ein wichtiger Mitstreiter ist der Komponist Jonas Schilling, mit dem er schon in der freien Szene zusammengearbeitet hat. In „Zwei Fleischfachverkäuferinnen“ wechseln Matthias Heße und Emily Klinge als Zarah Chi Chi und Karina ansatzlos in ihren Dialogen zwischen Sprache und Gesang. Was einerseits eine Verfremdung ist, aber auch bald ganz natürlich wirkt. So wie man schnell gar nicht mehr bemerkt, ob die Frauen von Männern oder von Frauen gespielt werden. Das alles entwickelt sich während der Proben, in einer ehrlichen, offenen gemeinsamen Suche. „Meine Wünsche und Träume gehen irgendwann in Erfüllung“, sagt Damian Popp. „Oder nicht.“ //