Rezension
„Ich bin noch nicht ganz am Ziel“
Peter Handkes neues Rätselstück setzt die selbstreflexiven Experimente fort
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Nachhaltigkeit (03/2025)
Assoziationen: Buchrezensionen Peter Handke
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Das Theater herauszufordern, das gehört zu den Theatertexten Peter Handkes seit fast 60 Jahren. Angefangen mit der „Publikumsbeschimpfung“ (1966) als furioser Auftakt eines Sprechstücks ohne Handlung und Figuren. Ein Meilenstein des Theaters sein autobiografisches Stück „Immer noch Sturm“ (2012), das in der legendären Uraufführung von Dimiter Gotscheff im Mai und Juni noch zweimal im Hamburger Thalia Theater zu erleben ist. Zuletzt gelangte das „Zwiegespräch“ in der Inszenierung von Rieke Süßkow 2022 spektakulär auf die Bühne des Wiener Akademietheaters, ein im selben Jahr veröffentlichtes Buch, das offenbar nicht ausdrücklich fürs Theater geschrieben war, aber recht ausführlich dessen heute schwindende Bedeutung beleuchtete.
Nun also „Schnee von gestern, Schnee von morgen“, laut Klappentext „ein Stück für die Bühne, ein Drama ohne Rednerwechsel, ein Lied ohne Kehrvers“. Ein Monolog? Das wäre eine Herausforderung, den Text so aufzufassen. Die meisten Monologstücke bestehen aus einer figurenbiografisch grundierten Geschichte. Exemplarisch experimentierte Samuel Beckett damit in „Das letzte Band“, in dem seine Figur Krapp Tonbandaufzeichnungen aus seinem früheren Leben abhört. Damit entstehen mehrere Zeitebenen und der Monolog ergibt zudem einen Dialog mit dem eigenen Ich. Das derzeit am häufigsten aufgeführte Monologstück ist Suzie Millers „Prima Facie“, in dem eine erfolgreiche Anwältin den Fall ihrer eigenen Vergewaltigung...