Der Auftakt ist ohrenbetäubend. Zwischen den Schweinwerfern hängen Megafone. Der Ruf des Muezzins erklingt. Hinten eine Batterie an Lautsprecherboxen, die zu einer Stufenpyramide aufgebaut sind und deren Membrane sie zu Gesichtern werden lassen. Elektronische Klänge wüten durch den Raum – akustische Turbulenzen, die zehn Jahre Krieg ausspeien. Vielen Zuschauern im Mülheimer Theater an der Ruhr sind die Klänge von Mauro Martinuz zu viel, sie halten sich die Ohren zu. Aber keiner geht. Das Gastspiel der italienischen Künstlergruppe Anagoor, in Koproduktion mit den Mülheimern entstanden, ausgezeichnet mit dem Silbernen Löwen des Theaterfestivals in Venedig 2018, hat einiges an Erwartungen geweckt.
Die „Orestie“ des Dichters Aischylos ist die einzige erhaltene Trilogie des antiken Theaters. Sie ist der Beweis dafür, dass damals Tragödien in einem narrativen Bogen zu einem Ganzen zusammengeschweißt wurden, die drei Stücke „Agamemnon“, „Choephoren“ und die „Schutzflehenden“. Es ist ein Virus von Mord und Rache, der durch die drei Stücke zieht. Am Ende des Trojanischen Krieges kehrt Agamemnon nach Athen zurück und wird von seiner Ehefrau Klytaimnestra und ihrem Geliebten Aigisthos ermordet. Der gemeinsame Sohn Orest, der von der Mutter in die Fremde geschickt worden war, kehrt zurück und rächt den Vater gemeinsam mit seiner Schwester Elektra. Die Rachegeister der...