Hier wurde einst die Verfassung der ersten deutschen Republik beschlossen. Davon scheint die Deutsche Bahn nichts mehr zu wissen, sie lässt ihre ICEs nur noch selten in Weimar halten. Wirtschaftlich liegen Erfurt und Jena in Thüringen vorn. Doch in Geist und Kultur versucht Weimar Anschluss an die Welt zu halten – auch mit einem verordneten Provinzbahnhof.
Das Nationaltheater zeigt Konstanze Lauterbachs Inszenierung „Schiwagos Odyssee“ (nach Motiven von Boris Pasternak): „Und immer wieder geht die Sonne auf!“ Das klingt wie ein Mantra. Man weiß nie, was diese „ewige Wiederkehr des Gleichen“, die der in Weimar gestorbene Nietzsche beschwor, für Folgen haben wird. Wieder ein neuer Tag! Bleibt alles so schlecht, wie es war, oder wird es – im Versprechen, nun endlich werde alles gut – nur noch schlechter? Das zur Ausgangsbefindlichkeit aller Revolution: Sorge. Doch die Lokomotiven der Revolution sind aus Stahl. Ein berühmtes Agitationsbuch des postrevolutionären Sowjetreichs, Nikolai Ostrowskis „Wie der Stahl gehärtet wurde“, war in der DDR Schullektüre. Heldenpathos herrschte. Boris Pasternaks „Doktor Schiwago“, der Blick auf die Blutspur, die die Lokomotive der Revolution hinterließ, war selbstverständlich verboten. All die Opfer, waren sie sinnlos oder doch der hohe Preis für einen notwendigen Fortschritt? Um diesen neuralgischen Punkt geschichtlicher Selbstverständigung...