Ihr Stück „europa flieht nach europa“ greift einen Urmythos auf: die Entführung der phönizischen Tochter Europa durch Zeus in Gestalt eines Stiers. Der Titel benennt die Bewegung, die sie vollzieht: von Nordafrika gen Norden, eben Richtung Europa, was natürlich aktuelle Assoziationen hervorruft. Wie kamen Sie auf das Material des Stücks?
Mich haben die Ursprünge Europas interessiert, auch das Bild der entführten und möglicherweise vergewaltigten Frau. Das ist schon ein seltsamer Mythos, nach dem ein ganzer Kontinent benannt wird. Der Name wurde ja ursprünglich für den jüdisch-christlich geprägten westeuropäischen Teil verwendet. Wenn man sich die europäische Geschichte ansieht, gibt es eigentlich keinen richtigen Anfang, es gibt immer noch irgendetwas davor. Wenn man an die Völkerwanderungen denkt, die Einflüsse der Griechen und Römer, die ja ebenfalls expandierten, dann der ganze Einfluss der alten Mittelmeerkulturen. Diese ganze unkoordinierte, komplizierte Geschichte … Ich habe die mythologische Figur aus ihrem eigenen Mythos heraus in weitere verschiedene Tableaus hineinstolpern lassen. Die ursprüngliche Idee war, dass sie in unterschiedlichen Zeiten wiedergeboren wird, sich ständig in anderen Szenen wiederfindet. Sie wird in Vergangenes und Imaginiertes hineinkatapultiert. Die erste Idee lag dann ein gutes Jahr auf Eis, weil ich zunächst „Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern...