Mit dem erotischen Drama „Reigen“ entlarvte der Mediziner und Autor Arthur Schnitzler am Ende des 19. Jahrhunderts die falsche Sexualmoral seiner Zeit. 1920 sorgte das Stück nach seinen Premieren in Wien und in Berlin für einen Theaterskandal. Quer durch alle sozialen Schichten peitschte der österreichische Autor wechselnde Paare von ihren erotischen Dialogen in den Beischlaf. Diese faszinierende Reigen-Struktur hat die in Lettland geborene Amerikanerin Yana Ross bei den Salzburger Festspielen in die Gegenwart übertragen. Zehn internationale Autorinnen und Autoren – vom Schweizer Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss bis zur politischen Kämpferin Sharon Dodua Otoo – haben Schnitzlers Leitmotive überschrieben. Der Gedanke, die politische Sprengkraft des Skandalstücks ins 21. Jahrhundert zu übertragen, ist brillant. Doch an der Umsetzung hapert es. Mit dem Ensemble des Schauspielhauses Zürich gelang der Regisseurin kein großer Wurf.
Das lag nicht zuletzt daran, dass Ross die grandiose Reigen-Mechanik des Fin-de- Siècle-Dramas auflöste und in einem Flash gescheiterter Beziehungen verwässerte. Viel bleibt in ihrer modernen Lesart nicht übrig von Schnitzlers virtuoser Dramenkunst, die bis heute immer wieder im Original den Text auf deutschsprachige Bühnen findet. Sexualität kennt heute keine Tabus mehr, wie das noch zu Schnitzlers Zeiten der Fall war. Deshalb kreisten die Dialoge der zehn Autor:innen eher um Entfremdung,...