Inmitten der Spielfläche wächst ein riesiger Baum in den Bühnenhimmel. Als wäre er einst als winziger Spross durch den Bretterboden getrieben. Ein Einbruch der Natur in den Kulturtempel Theater. Artus’ Tafelrittern steht dieser Baum gehörig im Weg. Der Tisch, an den sie der mythische König (und zugleich Erfinder der modernen Roundtable-Debattenkultur) gebeten hat, legt sich als Kreis einmal rund um den mächtigen Stamm, der sich damit als Kommunikationshindernis erweist: Ein Teil der Diskutanten kann sich gegenseitig weder hören noch sehen, Informationen müssen daher per Flüsterpost weitergegeben werden. Aber auch sonst kommt den Recken immer wieder die eigene Triebnatur in die Quere. Artus, Sir Lancelot und Königin Ginevra beispielsweise verlieren sich im hehren Streben nach der Wahrheit (versinnbildlicht in der Gralssuche) lust- und eifersuchtsgesteuert in einem banalen Beziehungsdreieck.
Zur Eröffnung der Intendanz von Iris Laufenberg am Schauspielhaus Graz hat Jan-Christoph Gockel „Merlin oder Das wüste Land“ inszeniert, Tankred Dorsts 97 Szenen umfassendes Welttheater. Geschätzte 15 Stunden, heißt es, würde eine komplette Aufführung dauern. Eine Menge Holz. Gockel hat den Wald gelichtet, ohne die buntesten Blüten von Dorsts Phantasie zu kappen. Die Inszenierung ist ein klares Bekenntnis zum szenischen Wildwuchs. Es gibt Lautes und Leises, heiligen Ernst und heillosen Klamauk, Popsongs, Pathos...