Bericht
Mit absurden Brechungen
Novoflot – Oper als resonante Utopie im Freien Musiktheater
von Ulrike Hartung
Erschienen in: Theater der Zeit: Neues Musiktheater (10/2025)
Assoziationen: Berlin Musiktheater Freie Szene Novoflot Volksbühne Berlin

Die neuralgischen Zonen des zeitgenössischen Musiktheaters verlaufen dort, wo Konventionen infrage gestellt und Institutionen herausgefordert werden: Sie sind das Wirkungsfeld der Berliner Opernkompagnie Novoflot. Seit ihrer Gründung arbeitet sie daran, durch künstlerische Strategien der Dekonstruktion, der Improvisation und der kontinuierlichen Verschiebung etablierter Gattungserwartungen ein Musiktheater zu entwickeln, das zugleich tief in der Tradition verwurzelt und radikal gegen sie gerichtet ist. In einer Landschaft, in der der Repertoirebetrieb die Geschichte der Oper oft musealisiert, beanspruchen Novoflot nichts Geringeres, als diese Geschichte neu zu schreiben.
Das äußere Signum dieses Arbeitens liegt in der ostentativen Verwendung des Begriffs Oper. Während viele ihrer Kolleg:innen des Freien Musiktheaters – also einer Praxis jenseits öffentlich getragener Infrastrukturen – bewusst Abstand sowohl von der Gattung als auch der Institution Oper suchen, reklamieren Novoflot diesen historisch aufgeladenen Terminus überaus emphatisch für sich. Damit verweisen sie allerdings nicht in erster Linie auf den Repertoirebetrieb, sondern auf ein Verständnis von „großer Oper“ als künstlerische Utopie: Als ausgewiesene Utopist:innen suchen sie in ihrer oft disparat-ästhetischen Auseinandersetzung mit Welt jenen Ort, an dem Unmögliches möglich wird. Schon damit stellen sie sich quer zu einer institutionalisierten Zentralperspektive des Opernbetriebs – jene „Monokultur“, die sie in strikter Gegengeste immer wieder zu konfrontieren suchen....