Frauen stehen auf Shakespeares Personenzetteln ganz unten. Im ersten der drei Teile von „Heinrich VI.“ folgen auf zwei Dutzend Männerrollen drei weibliche Figuren, darunter Jeanne d’Arc (genannt „La Pucelle“, „das Flöhchen“) sowie Margaretha, Tochter des Herzogs von Anjou, zugleich Titularkönig von Neapel. Heinrich ist der Sohn des ruhmreichen Heinrich V., der in Frankreich viele Schlachten gewonnen hat; mit dessen Tod beginnt Shakespeares Trilogie, ein Jugendwerk von 250 Seiten, die der Flame Tom Lanoye auf einen kompakten dreistündigen Theaterabend eingedampft hat. Heinrich VI. ist ein schwacher Potentat, der mitten auf dem Schlachtfeld traurig darüber räsoniert, wie der Sand durchs Stundenglas rinnt; der schon drauf und dran ist, freiwillig auf die Krone zu verzichten – würde seine Frau Margaretha (übrigens keine Italienerin, wie der geschlechtergerechte Titel suggeriert) ihn nicht daran hindern. Sie ist ihm zwar nicht intellektuell, aber mental überlegen – aus diesem Grund erhebt Lanoye in seiner vieles vereinfachenden Überschreibung sie zur zweiten Titelfigur. Weiber sollten „sanft, mild, mitleidsvoll und biegsam“ sein, findet Heinrichs Gegenspieler York (der ebenso gute Rechte auf den Thron hat wie der aktuelle Amtsinhaber); keine Spur davon in Sonja Beißwengers bissiger Interpretation der Figur: Eher schon ist diese Frau „ein Tigerherz, in Weiberhaut gesteckt“.
Die Crux ist...