Puppentheater aus Zwickau in meinem Berliner Wohnzimmer – nach den Streaming-Marathons in Pandemiezeiten zwar nicht mehr so ungewöhnlich, doch der heutige Abend verspricht Neues: Per Post wurde mir das Theaterset zugestellt, dem ich nun VR-Brille und Kopfhörer entnehme. Kurz darauf sitze ich im digitalen Saal des Puppentheaters und steuere mit meinem Blick den Start-Button an: Die Vorstellung kann beginnen!
Die Bühne befindet sich um mich herum und ich folge mit Blicken den seitwärts ziehenden Nebelschwaden, dem sanft von oben herabfallenden Herbstlaub, den hinter mir erklingenden Stimmen oder dem Bewegung verheißenden Rascheln der Blätter. Dabei drehe und wende ich mich auf meinem Sitzplatz, während ich mich zugleich, dem virtuellen Wolkenstrudel sinnbildlich folgend, immer tiefer in die Geschichte hineinziehen lasse.
Im stark reduzierten, überwiegend aus Naturmaterialien gefertigten Waldsetting beschwört die knapp halbstündige Inszenierung unter der Regie von Monika Gerboc eine morbide Atmosphäre herauf, in der sich die Visualisierungen der bekannten Goethe-Strophen, untermalt von düsteren Klängen (Daniel Špiner), wie beunruhigende Traumsequenzen aneinanderreihen.
Martha Stöckner streift, in unschuldiges Weiß gekleidet und zunächst neugierig staunend, dann zunehmend entrückt wirkend, durch die Szenerie, in der tanzende Schmetterlinge und skelettierte Unterwasserwesen das Kind hartnäckig umgarnen. Plötzlich schwebt ein Knochenvogel (Puppen: Rafał Budnik) mit gespreizten Krallen auf mich...