Sie beide verbindet das Interesse, Theater neu zu organisieren, dafür neue Wege zu finden, in der Überzeugung, dass dies dringend notwendig ist. Milo Rau, Sie haben für das NTGent das Genter Manifest veröffentlicht mit zehn Regeln, wie Ihr Theater arbeiten soll. Luk Perceval, Sie haben vor vielen Jahren auch Manifeste geschrieben. Haben Sie sich über das Genter Manifest verständigt?
Milo Rau: Wir haben uns das erste Mal 2017 in Köln getroffen. Das Manifest wurde 2018 aus der Erfahrung im deutschen Theatersystem verfasst. Es ist ein Regelwerk, das aus den Bedingungen heraus entstand, wie Theater in Deutschland gemacht wird. Ich wollte die Aufmerksamkeit von der Fixierung auf das Management des Theaters auf seine eigentliche Produktion lenken, weg von der eingefahrenen Routine mit einem Spielzeitmotto, zu dem dann die geeigneten Regisseure und Bühnenbildner und so weiter gefunden werden. Das Manifest ist keine ästhetische Maßgabe des Theaters, da ist alles frei. Meine letzte Inszenierung „Orest in Mossul“ befolgt übrigens auch nicht alle Gebote. Ähnlich wie beim DOGMA-Manifest im Film damals, wo auch kein einziger Film nach allen Regeln des Manifests gedreht wurde. Ich wollte die übliche Produktionsweise hinterfragen, und deshalb habe ich die Regeln entwickelt, damit Inszenierungen kleiner und persönlicher werden.
Luk Perceval:...