Stück
Die Seherin
von Milo Rau
Erschienen in: Theater der Zeit: KI – Künstlerische Intelligenz? (09/2025)
Assoziationen: Asien Stücke Ursina Lardi
Aufführungsrechte: schaefersphilippen © 2025
Gespräch mit Milo Rau über sein Stück „Die Seherin“
Vorbemerkung
Im Sommer 2016 reiste ich mit dem kurdischen Schauspieler Ramo Ali nach Qamischli in Rojava (Nord-Syrien). Damals war Mossul, wo „Die Seherin“ zu einem großen Teil spielt, noch vom IS besetzt. Unser Weg aus Erbil führte uns an der Front der Peschmerga entlang nach Sindschar, der von den Dschihadisten ausgelöschten Jesidenstadt, und von dort ging es weiter nach Syrien. Ich erinnere mich, wie wir mit einer Peschmerga-Einheit in den Schützengräben lagen, wie wir abends durch das bis auf die Grundmauern zerstörte Sindschar zur Kaserne zurückkehrten: Es war, als würde man sich zugleich in einem Fernsehbild und in der Antike befinden – der Antike der Antike, denn Mossul, Ninive, Sindschar: Das sind die Stätten der alten Hochkulturen.
Meinen ersten längeren Besuch im wieder befreiten Mossul fand im Jahr 2018 statt, zusammen mit dem Schauspieler Johan Leysen und dem Kriegsjournalisten Daniel Demoustier, meinem damaligen Kameramann, der mich zu „Die Seherin“ inspirierte. Im Frühjahr 2019 schließlich inszenierten wir gemeinsam mit Student:innen der Mossuler Kunsthochschule „Orestes in Mossul“. Und zwei Jahre später gründeten wir, gemeinsam mit der UNESCO, eine Filmschule in der ehemaligen irakischen Hauptstadt des selbsternannten „Islamischen Staates“.
Doch...