Theater der Zeit

Stück Labor 2022/23

Dmitrij Gawrisch – Ariane Koch

Stück Labor – Neue Schweizer Dramatik Es ist das einzige Förderprogramm seiner Art, das kontinuierlich jede Spielzeit Hausautor:innenschaften in Kooperation mit Schweizer Theatern ermöglicht. Während jeder Saison entstehen so im Rahmen von Residenzen zwei bis vier Uraufführungen zeitgenössischer Stücke. Die Hausautor:innen 2022/23 waren Dmitrij Gawrisch und Ariane Koch an den Bühnen Bern und am Theater Basel. Ihre Texte beschäftigen sich mit Hilflosigkeit, dem Ringen um Ermächtigung und blicken in unsere Welten voller erschöpfter Menschen, die sich aus der Perspektive beider Autor:innen in skurrile Zerrbilder unserer Realität verwandeln.

von Michael Gmaj

Erschienen in: Theater der Zeit: ¡Adelante! – Theater aus Iberoamerika (02/2024)

Assoziationen: Schweiz Dramatik Dossier: Stück Labor – Neue Schweizer Dramatik Bühnen Bern Theater Basel

Foto: Daniel Zeltner

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Dmitrij Gawrisch berichtet in seinem Stück „Die Dampfnudel“ aus dem grotesken Familienalltag einer Patchwork-Familie. Im Mittelpunkt steht das sechsjährige „Zentralgestirn“ Toni. Das Stück erzählt vor allem aus der Perspektive des alleinerziehenden Vaters Nils und seiner Freundin Saskia, die sich mehr Anteil an der Erziehung dessen kleiner Tochter wünscht. Sprich, sie will auch Mama genannt werden. Mit dieser Einmischung kommt die leibliche Mutter Ines so gar nicht klar. Die einzige nachhaltige Rettung dieser toxischen Dreiecksbeziehung plus Kind bietet ein Chor von Paartherapeut:innen und Großvater William, unterstützt von der K.I. Arnie. Es ist Tonis erster Schultag, den Saskia gebührend feiern will, der zum fast unüberwindbaren Konflikt führt. Fast vergisst man dabei das eigentliche Drama: wie schwer es in einer Großstadt ist, Betreuung für sein Kind zu finden, wenn man dringend zu diesem einen Termin mit der Therapeutin muss – diesem seidenen Faden, an dem gerade die ganze Beziehung hängt.

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Ariane Koch schreibt in „Kranke Hunde“ über die Rennhündin Poch. Sie ist eine der erfolgreichsten Läuferinnen auf der Rennhundebahn, bis sie umkippt. Aufgewacht, findet sie sich in einem Krankenhaus umringt von einer Schar Hundeärzte wieder. Diagnose: komplizierter Fall. Angesichts der Zerbrechlichkeit ihres Körpers sinniert die Patientin über ihre Situation nach. Das Spital der Erschöpften und Beschleunigten hat wenig Zeit für jemanden mit übermässigem Kopfdruck. Doch jede Krankheit ist auch eine Auszeit. Und so beobachtet Poch ein sprintendes und sich selbst genügendes Gesundheitssystem. Die Zimmernachbarin beschwert sich über die Patientin und die Pflegekräfte treten in den Streik. Poch will, nein, sie muss da raus! Doch Höllenkatz und der dreiköpfige Cerebras verunmöglichen jegliche Flucht aus dem Horrortrip „Krankenhaus“. Das Gesundheitssystem kann auf die wertvolle Patientin nicht verzichten. Auf Druck der Finanzverwaltung und zum Wohle des Fortschritts wird eine Kopftransplantation verschrieben. Ein Stück zur erschöpften Gesellschaft.

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