Akteure
Das Cartoonartige ausloten
Der Bühnen- und Kostümbildner Patrick Bannwart
von Patrick Bannwart und Stefan Keim
Erschienen in: Theater der Zeit: Tarife & Theater – Warum wir das Theater brauchen (02/2023)
Assoziationen: Akteure Bayerische Staatsoper München Berliner Ensemble Düsseldorfer Schauspielhaus Burgtheater Wien Deutsches Theater (Berlin) Thalia Theater Opernhaus Zürich Schauspiel Essen

„Robin Hood“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – die Burg des Usurpators Prinz John ist aus Pappe. Wie die anderen Requisiten, vieles sieht aus wie selbstgebastelt. Der Wettbewerb im Bogenschießen ist dagegen ein cooles Video, ein Hightechgame. Das Kinderstück ist die aktuelle Zusammenarbeit des Bühnen- und Kostümbildners Patrick Bannwart mit dem Regisseur David Bösch. Die beiden bilden seit fast 20 Jahren ein Team. 2004 designte Bannwart die Bühne für Böschs Diplominszenierung „Frühlings Erwachen“ an der Schauspielschule Zürich. Seitdem arbeiten die beiden zusammen, stets in enger Absprache. Die Räume stecken voller Erinnerungen und Emotionalität, in Büchners „Woyzeck“ am Schauspiel Essen wie in Dorsts „Parzival“ am Burgtheater Wien. Bannwarts Bilder liefern eine Mischung aus konkreten Elementen und Offenheit, geben ein Fundament für die Spieler:innen, lassen aber auch Freiräume, die sie füllen können. Ein Gespräch über die Bilder, die Gefühle, das Teamwork.
19 Jahre gemeinsame Arbeit – was verbindet David Bösch und dich eigentlich genau?
PB: Ich vergleiche es oft mit einer Paarbeziehung (grinst). Wir sind beide relativ ungeduldige Menschen, die immer weitersuchen und -entwickeln. David meinte mal, dass für ihn Proben Verändern heißt. Das empfand ich auch so. Ich kam gerade aus einer Stadttheaterproduktion, wo Szenen gestellt wurden und dann in tödlicher Langeweile bis zur Premiere wiederholt wurden. Das war bei David das Gegenteil und fühlte sich nach Aufbruch an, wenn es auch oft Theaterapparate an ihre Grenzen bringt. Wir fürchten uns beide nicht vor starken Bildern, vor Atmosphären, vor sinnlichen Momenten.
Ich habe lange nicht mehr so ein fröhliches und Mut machendes Bühnenbild von dir gesehen wie „Robin Hood“ und erinnere mich an viele düstere Settings zuvor. Was ist da passiert?
PB: „Robin Hood“ ist unser erstes Kinderstück. Das hatten wir uns schon lange gewünscht, auch weil wir mittlerweile beide Väter sind. Der Entwurf ist erstmal im Theater angeeckt, weil er per se gar nicht fröhlich ist, sondern eine Welt aus profaner Pappe darstellt. Robin – in unserem Falle ein Mädchen – kämpft aber mit ihren Freund:innen für Gerechtigkeit und schafft es, das System zu kippen. Das macht natürlich Mut.
Der Stoff beinhaltet erstaunlich viel Aktuelles und Politisches und ermutigt dazu, die Welt zu verändern. Die ungerechte Verteilung in der Welt ist wahrscheinlich nebst Krieg und Klimakrise das wichtigste Thema unserer Zeit. Gerade bei meinen Kindern erlebe ich, dass ungleiche Verteilung als sehr schlimm empfunden wird. Selbst wenn es sich um einen Kuchen mit Smarties handelt …
Ich bin oft in euren Inszenierungen von der Warmherzigkeit beeindruckt, mit der ihr die Figuren gestaltet. Wie äußert sich das in der gemeinsamen Arbeit?
PB: Vielleicht hat das mit der oben erwähnten Düsternis zu tun. David ist ein sehr großer Menschenfreund und liebt seine Figuren. Figuren, die oft am Rande der Gesellschaft stehen. Frau John, Woyzeck, Kroetz-Charaktere – Figuren, die nichts zu verlieren haben. Und aus dieser Dunkelheit heraus entsteht ein Funke. Ein Aufglühen, eine Kraft wie eine Kernfusion, die alles verändern kann. Aber der Nährboden ist düster. Und gerade darin kann man das erste Glühen am besten spüren.
Beeindruckend fand ich auch eure Uraufführung von Dirk Lauckes „alter ford escort dunkelblau“ am Thalia Theater Hamburg (Gaußstraße). Da hast du viel mit animierten Bildern gearbeitet. Welche Rolle spielen die Cartoons für deine Arbeit?
PB: Ich habe gerade im deutschsprachigen Raum die Erfahrung gemacht, dass der Begriff Cartoon schnell schubladisiert wird. Als nicht ernst zu nehmende Kunstform. Das wollte ich ändern. Ich habe schon von jeher viel gezeichnet, und Professor Erich Wonder fragte mich bei der Aufnahmeprüfung in die Bühnenbildklasse, wa-rum ich nicht Cartoonist sein möchte. Ich antwortete so in etwa, dass ich die Figuren aus dem Blatt rausholen möchte.
Tatsächlich zeichne ich viel auf Proben. Ich mache nie Figurinen im eigentlichen Sinn, sondern Szenen mit Charakteren. Das Cartoonartige kommt wahrscheinlich dadurch, dass ich die Figuren etwas überzeichne, deutlicher mache, anarchischer. Die Zeichnungen haben es dann immer mehr in die Programmhefte und schließlich auf die Bühne selbst geschafft.
Der Durchbruch, mit Zeichnungen im Stück zu arbeiten, war dann „alter ford escort dunkelblau“ von Dirk Laucke. Wir hatten im Thalia Theater eine große Probebühne, eine Rampe mit vier sich drehenden Autoreifen und den Ausnahmemusiker Karsten Riedel. Karsten spielte in der einen Ecke seine Musik und ich baute mir in der anderen Ecke ein kleines Zeichenstudio auf und fing an, mit einfachen Mitteln die Zeichnungen zu animieren. Sie wurden immer mehr Teil der Inszenierung. Das war so nicht geplant, ist spontan entstanden und gewissermaßen Merkmal unserer Arbeiten geblieben. Bald darauf folgte unsere zweite Opernarbeit an der Bayerischen Staatsoper mit Mozarts Frühwerk „Mitridate“. Hierfür entwarf ich abstraktere dunkle Räume, die erstmals darauf ausgelegt waren, dass darauf Zeichnungen projiziert werden, sich die Figuren in den Projektionen selbst bewegten und mit den Zeichnungen vermischten.
In der Pandemie habt ihr den beeindruckenden Opernfilm „Weiße Rose“ für die Staatsoper Hamburg gestaltet, ebenfalls ein Anime. Wird es weitere Theaterfilme von euch geben?
PB: „Weiße Rose“ ist zwar aus der Corona-Not heraus entstanden, war aber auch eine logische Fortführung des eingeschlagenen Weges. Das Team war schon früher um Falko Herold, mit dem ich studiert hatte, gewachsen und so hat sich bei dieser Arbeit eine Art „Band“ entwickelt, bei der jeder jeden begleitet und zugleich Songs schreibt.
Die Opera Stabile und die große Probebühne der Staatsoper Hamburg standen lockdown-bedingt leer. Wir hatten plötzlich richtige Studios zur Verfügung, um unseren ersten Graphic-Opera -Film zu verwirklichen. Mittlerweile gibt es neue Pläne, aber die Bedingungen, wie wir sie damals hatten, wird es so wohl nicht mehr geben.
Du hast mehrmals die Spontaneität, den Bandcharakter deiner Arbeiten beschrieben. Wie verträgt sich das mit den frühzeitigen Bauproben an den Theatern?
PB: Ja, das ist tatsächlich oft ein Spagat. Gerade bei der Oper sind die Bauproben oft schon ein Jahr vor dem Probebeginn. Gleichzeitig ist die Bühne ja auch oft eine konzeptionelle Setzung und ich probiere, das ganze Stück oder Projekt auch im Vorfeld szenisch mitzudenken, sodass der Raum letztlich wie der Nährboden ist für das, was sich bei den Proben noch entwickelt. Ich versuche, die Räume so zu gestalten, dass sie eine Spielwiese darstellen und Entwicklungen möglich machen. Zum einen in der Ästhetik, die eben kein Hochglanz ist. Es können auch schnell Sachen mit viel Klebeband dazu gebastelt werden. Außerdem bin ich bei den Proben fast immer anwesend, um weiter zu basteln, mit der Inszenierung mitzugehen so wie die Inszenierung mit dem Raum mitgeht.
Wer ist der Künstler Patrick Bannwart ohne David Bösch?
PB: Den Alleinkünstler Patrick Bannwart gibt es so nicht. Ich beobachte oft, dass Theaterkünstler vorgeben, eigentlich bildende Künstler zu sein, und das Theater eigentlich nebenher machen. Gerade bei Bühnenbildnern ist das weitverbreitet und entspringt meiner Meinung nach einem Komplex, der bildenden Kunst gegenüber minderwertig zu sein.
Weiters gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung gerade auch vonseiten der Theaterpresse offenbar die Sehnsucht, Einzelkünstler hervorzuheben oder zu kreieren. Ich verstehe das nicht und habe es noch nie verstanden. In meiner Kindheit war ich begeisterter Anhänger der Luzerner Fasnacht. Ein dreitägiges rauschhaftes Straßenfest, zu dem sich alle verkleiden, Musik durch alle Straßen zieht, Theater auf den Hausdächern gespielt wird – im Gegensatz zu prämierten Kreativwettbewerben.
Theater ist für mich ein Zusammenspiel von vielem und vielen. Natürlich gibt es treibende Kräfte und für die einen ist es Obsession und kreatives Feld, für andere einfach ein „Job“. Aber es gibt für mich nicht den Einzelkünstler in dem Sinne, sondern jeder trägt zu dem Abend bei. Das ist der Grund, warum ich Theater mache und keinen Leistungssport betreibe. Und es füllt mich so aus, dass es daneben nur den privaten Patrick Bannwart gibt und manchmal auch nicht mal mehr den.